Für viele Händler physischer Produkte ist die Liquidität der entscheidende Flaschenhals, der das Unternehmenswachstum bremst. Oft schlummern jedoch ungenutzte Potenziale direkt in den eigenen Prozessen, die ohne externe Finanzierungsspritzen gehoben werden können. In diesem Artikel zeigen wir euch, wie ihr durch gezielte Maßnahmen an den richtigen Stellschrauben dreht, um eure Cashflow-Situation nachhaltig zu verbessern und finanzielle Spielräume für das nächste Level eures Business zu schaffen.
Das Problem der hohen Kapitalbindung physischer Produkte kennen die meisten Händler sehr gut: Die Waren müssen im Vorfeld eingekauft und bezahlt werden, die Auszahlungserlöse aus den Verkäufen folgen aber in der Regel erst Wochen oder Monate später. Damit führt das Thema Cashflow häufig zu einer elementaren Beschränkung im Unternehmenswachstum und im Sourcing neuer Produkte.
Die Dauer von der Auszahlung aus euren Wareneinkäufen bis zu den Einzahlungen aus den späteren Umsatzerlösen, oder ganz allgemein gesprochen die Dauer der Bindung liquider Mittel in eurem Unternehmen, wird auch als Cash-Conversion-Cycle (CCC) oder Cash-to-Cash-Cycle bezeichnet. Wie groß dieser Zeitraum, und damit eure Kapitalbindung, ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab und kann sich von Produkt zu Produkt unterscheiden.
Die Möglichkeiten der Cashflow-Verbesserung
Jede der folgenden Möglichkeiten nimmt direkt oder indirekt Einfluss auf euren Cash-Conversion-Cycle und versucht über eine verkürzte Kapitalbindung mehr freie Cash-Reserven in eurem Unternehmen freizusetzen, die dann für zusätzliche Investitionen zur Verfügung stehen.
1 Die Kreditkarte kann, wenn mit ihr ein Zahlungsziel verbunden ist, eure Auszahlungen für bestimmte Kostenpositionen nach hinten verschieben. Das Zahlungsziel der Kreditkarte lässt sich überall dort nutzen, wo ihr die Kreditkarte für Zahlungen hinterlegen könnt (z.B. Amazon/Facebook Ads, Software-/Hosting-Anbieter, Online-Käufe). Auch Geschäftsessen oder Hotelübernachtungen können häufig darüber laufen. So könnt ihr Cash länger im Unternehmen halten und ggf. Prämien beim Anbieter sammeln.
2 Auch für andere Ausgaben ist ein Zahlungsziel denkbar – hier müsst ihr im Einzelfall mit Geschäftspartnern wie Herstellern oder Logistikern verhandeln. Diese Positionen sind oft groß und wirken stark auf den Cashflow. Bei Transportkosten unterscheiden sich Konditionen erheblich: Manche verlangen Zahlung vor Abholung, andere gehen in Vorleistung und gewähren ein Zahlungsziel. Beim Hersteller hängt es von An-/Endzahlung und ggf. Zahlungsziel auf die Schlusszahlung ab. Mehr zum Thema Lieferantenkredit und Zahlungsziele findet ihr auch auf dem Existenzgründerportal des BMWK.
Liquiditäts-Rechner: Effekt der CCC-Verkürzung
Berechnet, wie viel Kapital ihr freisetzen könnt, wenn ihr euren Cash-Conversion-Cycle (CCC) um X Tage verkürzt. Ergebnis aktualisiert sich automatisch.
3 Neben dem Zeitpunkt der Zahlung hat auch die Dauer der Produktion bzw. des Transports erheblichen Einfluss auf euren Cashflow. Standort des Produzenten und Transportmittel bestimmen die Transitzeit und damit die Kapitalbindung. Ein Hersteller in Europa hat oft kürzere Wege als ein China-Hersteller. Beim Transport ist Flugzeug meist am schnellsten, gefolgt von Bahn und Schiff. Auch Produktionszeiten/Leadtimes spielen eine Rolle – bei schlechter Verhandlungsposition werden Produktionen oft niedriger priorisiert. Schnellere Transportmittel, nähere Hersteller und bessere Produktionszeiten können eure Cash-Situation deutlich verbessern.
4 Neben den Bestellkonditionen entscheidet auch der Bestellzyklus, also die Häufigkeit (und damit die Menge) eurer Bestellungen über eure Kapitalbindung. Deckt ihr mit einer Bestellung einen größeren Verkaufszeitraum ab, steigt die Kapitalbindung. Ein kurzer Bestellzyklus mit kleineren Mengen senkt die durchschnittliche Lagerdauer einer Einheit und damit die Kapitalbindung. Eine präzise Liquiditätsplanung im E-Commerce ist hierfür unerlässlich, um Engpässe bei häufigeren Bestellungen zu vermeiden.
5 Neben den klassischen Wegen, euren Cash-Conversion-Cycle zu verkürzen, steht außerdem noch die Möglichkeit zur Verfügung, euch über Warenfinanzierungen oder andere Wege der Kapitalbeschaffung eine Einzahlung zu schaffen, die die Auszahlung für den Wareneinkauf vorerst ausgleicht. Die eigentliche Auszahlung fällt dann (inkl. Zinsen) erst später an, sodass ihr Auszahlungen nach hinten schiebt und euch Cash-Vorteile sichert. Weitere Informationen zu den Grundlagen des Working Capital Managements bietet das Gabler Wirtschaftslexikon.
Sind alle Maßnahmen immer sinnvoll?
Nicht jede Maßnahme zur Verbesserung des Cashflows lässt sich so ohne Weiteres umsetzen. Häufig sind bestimmte Voraussetzungen nötig, damit eure Kapitalbindung auf diese Art verkürzen könnt.
Zum Beispiel wird ein Hersteller, der nicht in Asien, sondern beispielsweise in Europa, sitzt, möglicherweise höhere Stückkosten verlangen. Auch schnellere Transportwege sind in der Regel mit höheren Kosten verbunden. Hier ist es wichtig, eine Vorteilhaftigkeitsrechnung anzustellen, sodass ihr für euch feststellen könnt, ob die höheren Kosten für die Produktion oder den Transport durch die niedrigere Kapitalbindung überkompensiert werden. Was euch der kürzere Cash-to-Cash-Cycle dabei monetär bringt, hängt von der Verkürzung der Kapitalbindung, vom zugrundeliegenden Wert und von eurem Kalkulationszinssatz ab. Die Kapitalbindung in euren Produkten hat deshalb für euch so hohe Kosten, weil euch Opportunitätskosten aus dem nicht-freien Cashflow entstehen, der ansonsten für Investitionen zur Verfügung stehen würde. Die Einsparung dieser Opportunitätskosten steht in der Praxis häufig höheren Kosten für Produktion und Transport gegenüber. Auch beim Weg über die Kapitalbeschaffung durch Finanzierung ist es wichtig, dass ihr euren internen Kalkulationszins kennt. Eine Finanzierung bringt euch immer dann zusätzlichen Erlös, wenn die Investition, die ihr damit tätigt, zu einer höheren Rendite verzinst wird, als eure Schuldzinsen.
Ergebnis
Viele Wege können euch in eurem Handelsunternehmen zusätzliche Liquidität verschaffen, einige davon müssen sorgfältig abgewägt und immer im Kontext eurer persönlichen Situation gewählt werden. Die Basis aller eurer Cashflow-Verbesserungen, die nur mit höheren tatsächlichen Kosten einhergehen, stellt die Verringerung eurer Opportunitätskosten, die stark von euren Prozessen, eurer Unternehmensrendite und euren Alternativ-Investitionen abhängt.