Steigende Rohstoffpreise, globaler Wettbewerbsdruck und die Notwendigkeit zur Digitalisierung stellen produzierende Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Wie können Sie in diesem Spannungsfeld Ihre Fertigung wirtschaftlich steuern und gleichzeitig flexibel bleiben? Die Antwort liefert ein modernes Produktionscontrolling. Es bildet das strategische Rückgrat Ihres Betriebs, indem es Transparenz schafft und datenbasierte Entscheidungen ermöglicht. In diesem Leitfaden erfahren Sie, wie Sie Produktionsprozesse effizient überwachen, welche KPIs wirklich zählen und wie Sie Ihre Gesamtanlageneffektivität (OEE) sofort berechnen können.
Was ist Produktionscontrolling? Definition und Bedeutung
Produktionscontrolling bezeichnet die Gesamtheit aller Maßnahmen zur Planung, Steuerung und Kontrolle der betrieblichen Leistungserstellung innerhalb der Produktion. Es bildet das Bindeglied zwischen Technik und Wirtschaft und sorgt für die notwendige Transparenz, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Dabei arbeitet es eng mit dem allgemeinen Unternehmenscontrolling zusammen, um die übergeordneten Firmenziele zu erreichen.
Definition: Produktionscontrolling konzentriert sich methodenkompetent auf die Planung und Kontrolle von Effektivität und Effizienz im Fertigungsbereich von Unternehmen. Es unterstützt das Produktionsmanagement durch die Bereitstellung relevanter Informationen bei der Entscheidungsfindung und -umsetzung.
Die Hauptaufgabe des Produktionscontrollings ist die Koordinierung der verschiedenen Managementmaßnahmen in der Produktion, um die Wirtschaftlichkeit und Effizienz zu optimieren. In modernen Fertigungsunternehmen mit hohem Automatisierungsgrad und komplexen Strukturen gewährleistet nur eine einheitliche Planung und Steuerung den reibungsarmen Ablauf der Produktion.
Strategisches vs. Operatives Produktionscontrolling
Die Ziele und Aufgaben des Produktionscontrollings werden in eine strategische und eine operative Sicht unterschieden. Beide Ebenen ergänzen sich und sind für den nachhaltigen Unternehmenserfolg unverzichtbar.
Strategisches Produktionscontrolling
Im Fokus des strategischen Produktionscontrollings steht die langfristige Ausgestaltung und Wirtschaftlichkeit des Funktionsbereichs Produktion. Es befasst sich mit:
- Langfristige Planung der Produktionsstandorte und Produktionskapazitäten
- Investitionsrechnungen zur optimalen Kapitalallokation im Produktionsbereich
- Planung der Fertigungsstätten und zukünftiger Fertigungssysteme
- Technologie-Portfolio-Analyse zur strategischen Ausrichtung
- Langfristige Ausrichtung des Produktionsprogramms
Diese langfristig orientierten Entscheidungen haben eine große Tragweite und müssen genau mit der verfolgten Wettbewerbsstrategie und den Erfolgsfaktoren des Unternehmens abgestimmt werden.
Operatives Produktionscontrolling
Das operative Produktionscontrolling hat die Sicherung der Wirtschaftlichkeit des laufenden Fertigungsprozesses als Aufgabe und fokussiert sich vor allem auf die Kontrolle der Produktionskosten. In der Literatur wird es deshalb auch als "wirtschaftliches Gewissen der Produktionsleitung" bezeichnet.
Zu den operativen Aufgabenbereichen gehören:
- Abstimmung der Fertigungskapazitäten auf die erwarteten Absatzmengen
- Kapazitäts- und Engpasskontrollen der Produktionsanlagen
- Kalkulation der Betriebsunterbrechungskosten verschiedener Ausfallszenarien
- Durchführung von Analysen zur Kostenminimierung
- Überwachung der Herstellkosten und Produktionskosten
Die wichtigsten Aufgaben des Produktionscontrollings
Die Aufgaben des Produktionscontrollings lassen sich phasentypisch in vier Hauptbereiche gliedern:
1. Informationsversorgung
Als erstes muss die Informationsversorgung gewährleistet sein. Alle nötigen Informationen müssen gesammelt und aufbereitet werden, damit nur die wichtigen Daten beim richtigen Nutzer landen. Die Informationsversorgung umfasst:
- Beschaffung und Aufbereitung von Daten
- Erstellung von Kosten- und Leistungsberichten
- Übermittlung relevanter Informationen an Entscheidungsträger
- Aufbau und Pflege von Datenbanksystemen
2. Planung
In diesem Bereich werden Produktionsteilpläne erstellt und koordiniert. Man unterscheidet drei Planungsebenen:
- Strategische Planung: Entscheidungen über einzusetzende Technologien
- Taktische Planung: Anlagenbau und Fertigungsprozesse
- Operative Planung: Budgetfestlegung mittels Plankostenrechnungssystemen
3. Steuerung
Die Steuerung umfasst die laufende Überwachung und Anpassung der Produktionsprozesse. Das Controlling führt die verschiedenen Informationen zusammen, koordiniert und vermittelt zwischen den Abteilungen.
4. Kontrolle
Hauptschwerpunkte sind die Durchführung von Abweichungsanalysen und die Überprüfung der Zielerreichung. Hier werden Soll-Ist-Vergleiche durchgeführt und Korrekturmaßnahmen eingeleitet.
Kennzahlen und KPIs im Produktionscontrolling
Produktionskennzahlen haben im Produktionscontrolling eine große Bedeutung. Sie schaffen Transparenz sowie Optimierungspotenzial und ermöglichen es, Ursachen- und Wirkungszusammenhänge zu erkennen. Kennzahlen sind ein zentrales Instrument, um Schwachstellen in der Fertigung frühzeitig zu erkennen.
Kategorien von Produktionskennzahlen
Kennzahlen gliedern sich im Produktionscontrolling grundsätzlich in drei Kategorien:
- Inputorientierte Kennzahlen: Material-, Personal- und Maschinenkosten
- Outputorientierte Kennzahlen: Produktionsvolumen, Stückkosten, Qualitätsrate
- Fertigungsprozessorientierte Kennzahlen: OEE, Durchlaufzeit, Rüstzeiten, Auslastungsgrad
KPIs vs. allgemeine Kennzahlen
KPIs (Key Performance Indicators) messen insbesondere den Erfolg in Bezug auf strategische Ziele, während allgemeine Kennzahlen zur Analyse und Kontrolle von Prozessen dienen. Der Produktionsleiter optimiert die operativen Prozesse, während der Controller die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen überwacht.
💡 Praxis-Tipp: Nicht jede Kennzahl ist automatisch für jedes Unternehmen gleichermaßen aussagekräftig. Ein Controlling-Konzept kann erst dann erfolgreich sein, wenn die darin enthaltenen Informationen und Indikatoren den besonderen Anforderungen und Rahmenbedingungen des eigenen Betriebs gerecht werden.
OEE – Die zentrale Kennzahl im Produktionscontrolling
Die OEE (Overall Equipment Effectiveness) oder Gesamtanlageneffektivität (GAE) ist eine der wichtigsten Kennzahlen für die Performance und Produktivität einer Produktionsanlage. Sie ist eine weltweit anerkannte Kennzahl zur Messung der Effizienz von Produktionsanlagen.
Die OEE-Formel
OEE-Werte interpretieren
| OEE-Wert | Bewertung | Handlungsbedarf |
|---|---|---|
| < 60% | Kritisch | Signifikante Probleme, sofortige Maßnahmen erforderlich |
| 60-80% | Durchschnittlich | Verbesserungspotenzial vorhanden |
| 80-85% | Gut | Anlage arbeitet effizient |
| ≥ 85% | Weltklasse | Benchmark für exzellente Produktivität |
OEE-Rechner: Berechnen Sie Ihre Gesamtanlageneffektivität
Nutzen Sie unseren interaktiven OEE-Rechner, um die Gesamtanlageneffektivität Ihrer Produktionsanlage schnell und einfach zu berechnen:
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Ihre Gesamtanlageneffektivität (OEE)
69,4%
Verfügbarkeit
87,5%
Leistung
85,0%
Qualität
94,1%
Instrumente des Produktionscontrollings
Das Produktionscontrolling greift für die Erfüllung der operativen und strategischen Aufgabenbereiche auf diverse Instrumente zurück. Dem Instrument, dem in der Literatur besonders große Bedeutung beigemessen wird, sind die Kennzahlen und Kennzahlensysteme.
Operative Instrumente
- Plankostenrechnung: Ermöglicht Soll-Ist-Vergleiche und Abweichungsanalysen
- Kosten- und Leistungsberichte: Regelmäßige Dokumentation der Produktionsperformance
- Kennzahlensysteme: Strukturierte Erfassung und Auswertung relevanter KPIs
- Kapazitätsplanung: Abstimmung von Fertigungskapazitäten und Absatzmengen
- Budgetierung: Festlegung finanzieller Rahmenbedingungen
Strategische Instrumente
- Investitionsrechnung: Bewertung von Investitionsprojekten
- Technologie-Portfolio: Analyse und Planung von Fertigungstechnologien
- Netzplantechniken: Planung komplexer Projekte
- Simulationsmodelle: Szenarioanalysen für strategische Entscheidungen
- Benchmarking: Vergleich mit Best Practices der Branche
Digitalisierung im Produktionscontrolling
Die zunehmende Digitalisierung der Produktion bietet umfangreiche Möglichkeiten der Datenerfassung und -auswertung, sodass betriebliche Prozesse gut überwacht und optimiert werden können. Leistungsfähige IT-Systeme und funktionale Software sichern in modernen Produktionsunternehmen die Datenerfassung und Aufbereitung.
Moderne MES-Systeme (Manufacturing Execution Systems) sind in der Lage, OEE-Messungen in Echtzeit durchzuführen, sodass Probleme und Verbesserungspotenziale schnellstmöglich erkannt und Korrekturmaßnahmen umgehend eingeleitet werden können.
Vorteile der Digitalisierung
- Echtzeitdaten: Sofortige Verfügbarkeit aktueller Produktionskennzahlen
- Automatisierte Erfassung: Reduzierung manueller Fehler
- Transparenz: Durchgängige Sichtbarkeit aller Produktionsprozesse
- Schnelle Reaktion: Zeitnahe Anpassung an veränderte Bedingungen
- Datenbasierte Entscheidungen: Fundierte Grundlage für Managemententscheidungen
Kontinuierliche Verbesserung durch Produktionscontrolling
Produktionskennzahlen sind eine Basis für einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP). Durch die fortlaufende Analyse und Kontrolle von KPIs in der Produktion können gezielte Anpassungen an den Prozessen vorgenommen werden. Diese Vorgehensweise ist ein essenzieller Bestandteil des Lean Managements.
Der PDCA-Zyklus (Plan-Do-Check-Act) bildet dabei das methodische Fundament:
- Plan: Auswahl der richtigen KPIs und Definition von Zielen
- Do: Messung und Erfassung der Kennzahlen
- Check: Interpretation und Analyse der Ergebnisse
- Act: Identifikation von Potenzialen und Umsetzung von Maßnahmen
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist der Unterschied zwischen Produktionscontrolling und Produktionsmanagement?
Das Produktionscontrolling kümmert sich vorwiegend um die Kostenseite der Produktion und die Suche nach Maßnahmen zur Effizienzsteigerung. Die Aufgaben von Produktionscontrollern unterscheiden sich damit deutlich von denen der Produktionsmanager, die für den technischen Teil der Produktionsprozesse zuständig sind.
Welche Ausbildung benötigt man für das Produktionscontrolling?
Typischerweise wird ein Hochschulstudium in Betriebswirtschaft, Wirtschaftsinformatik oder Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Controlling und/oder Produktion vorausgesetzt. Controller müssen sich nicht nur durch eine Affinität zu Zahlen auszeichnen, sondern auch praktisches Verständnis für Produktionsprozesse mitbringen.
Was ist ein guter OEE-Wert?
Ein OEE-Wert von 85% wird oft als "Weltklasse" angesehen und gilt als Benchmark für exzellente Produktivität. Typische OEE-Werte in vielen Produktionsanlagen liegen bei etwa 60-80%. Werte unter 60% deuten auf signifikante Probleme hin und erfordern Maßnahmen zur Effizienzsteigerung.
Wie viele Kennzahlen sollte man im Produktionscontrolling verwenden?
Die Faustregel lautet: So wenige Produktions-KPIs wie möglich, so viele wie nötig. Allgemein gehaltene Kennzahlensysteme gehen meist am tatsächlichen Bedarf vorbei und führen zu einem "Zahlenfriedhof", mit dem in der betrieblichen Praxis nicht gearbeitet wird.
Fazit: Produktionscontrolling als Erfolgsfaktor
Ein effizientes Produktionscontrolling ist für Industrieunternehmen unabdingbar, um kostenoptimiert und flexibel auf Marktanforderungen und -schwankungen zu reagieren. Es schafft die Voraussetzungen, dass das Management flexibel und vor allem zeitnah auf sich ändernde Bedingungen in den umkämpften Märkten reagieren kann.
Die wichtigsten Erfolgsfaktoren für ein wirksames Produktionscontrolling sind:
- Passende Kennzahlen: Individuell auf das Unternehmen abgestimmte KPIs
- Zeitnahe Erfassung: Aktuelle Daten für schnelle Entscheidungen
- Abteilungsübergreifende Koordination: Einbindung aller Führungskräfte
- Kontinuierliche Verbesserung: Systematischer KVP-Prozess
- Digitale Unterstützung: Moderne IT-Systeme für Datenerfassung und -analyse
Nutzen Sie die vorgestellten Instrumente und Kennzahlen, um Ihre Produktion systematisch zu optimieren und nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erzielen.
Weiterführende Informationen zum Thema Controlling und Kennzahlen finden Sie beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI) oder im Gabler Wirtschaftslexikon.